Veranstaltungsbericht: Scharia und deutsche Rechtsordnung

Auf Einladung des LACDJ Rheinland-Pfalz diskutierten Dr. Ralf Eschelbach, Richter am Bundesgerichtshof, und Lukas Augustin, OB-Kandidat der CDU-Mainz, mit den Teilnehmern der Veranstaltung über das Thema „Scharia und deutsche Rechtsordnung".

Ausgangspunkt für den ACDJ, sich mit dem Thema „Scharia" zu beschäftigen, waren die Äußerungen des rheinland-pfälzischen Justizministers Jochen Hartloff. Dieser hatte ausdrücklich Scharia-Schiedsgerichte in Deutschland befürwortet. Die Referenten des Abends nahmen dies zum Anlass, mit den Teilnehmern der Veranstaltung über das grundsätzliche Verhältnis der Scharia zur deutschen Rechtsordnung sowie über integrationspolitische Aspekte zu diskutieren.

In seiner Einleitung betonte der Landesvorsitzende des LACDJ Rheinland-Pfalz, Dr. Helmut Martin, dass die Äußerungen des Justizministers vielfach auf klare Ablehnung gestoßen seien. Soweit vereinzelt, zum Beispiel durch das OLG Zweibrücken, wohl zur Entlastung des Ministers auf die bisher schon praktizierte Anwendung der Scharia durch deutsche Gerichte hingewiesen würde, müsste geklärt werden, ob es wirklich keinen Unterschied gäbe zwischen der Anwendung islamischen Rechts durch deutsche Gerichte oder durch islamische Schiedsgerichte.

Daran anknüpfend informierte Dr. Ralf Eschelbach ausführlich über Inhalte der Scharia und ihre derzeitige Rolle im deutschen Recht. Er stellte die Grundzüge des islamischen Scharia-Rechts und die Unterschiede zum hier geltenden säkularen Recht heraus und zeigte bestehende Unvereinbarkeiten beider Systeme auf. Doch könne nach den Regeln des Internationalen Privatrechts bereits jetzt bei zivilrechtlichen Sachverhalten mit Auslandsbezug islamisches Recht in Deutschland Anwendung finden, sofern nicht wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts („ordre public") dem entgegenstehe – was jedoch insbesondere im Familienrecht in der Regel der Fall sei, da die Scharia Frauen benachteilige. Im Verwaltungsrecht und insbesondere im Strafrecht komme eine Anwendung der Scharia von vorneherein nach der Gesetzeslage nicht in Betracht. Die Einrichtung von Scharia-Schiedsgerichten, so Eschelbach weiter, würde gerade diese gesetzlichen Restriktionen sowie den notwendigen Filter der Rechtsanwendung durch deutsche Gerichte beseitigen und damit einer Scharia in Reinform zum Durchbruch verhelfen. Die Vorschläge des Justizministers könne man daher nur als unverantwortlich und kontraproduktiv für den deutschen Rechtsstaat bezeichnen.

Anschließend ging Lukas Augustin in seinem Vortrag auf die integrationspolitische Dimension des Problems ein. Er stellte klar, dass der Justizminister mit seinen Äußerungen alle integrationswilligen Bürgern vor den Kopf stoße, da gerade die radikale Form des islamischen Rechts damit Geltung für sich beanspruchen könne. Es dürfe auf keinen Fall zugelassen werden, dass auf deutschem Boden eine private Paralleljustiz entstehe, die sämtliche Integrationsbemühungen zunichte mache.

Die Fachvorträge und die anschließende Diskussion mit den Teilnehmern, so Dr. Helmut Martin abschließend, bestärkten den LACDJ Rheinland-Pfalz in seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Vorschlägen des Justizministers: Ein Bedürfnis für Scharia-Schiedsgerichte bestehe grundsätzlich nicht. Ihre Einführung würde vielmehr die notwendigen Schranken zum Schutz unserer Grundwerte bei der Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte auf der Basis kollisionsrechtlicher Normen aushebeln. Die Diskussion zeige aber, dass die Wertegemeinschaft des Grundgesetzes vor der Herausforderung stehe, ihren Freiheitsbergriff, auch den der Religionsfreiheit, inhaltlich auszufüllen und zugleich zu klären, wie die Freiheit wirksam auch gegen religiöse Extremisten verteidigt werden könne.